„Brandgefährlich-Macht das Schweigen der Mitte die Rechten stark?“. Das ist der Titel des Buches von Markus Nierth. In einer weiteren Veranstaltung seiner Reihe „Fritz im Dialog“ durfte Fritz Güntzler den Autor und seine Frau Susanna Nierth am 2. März 2017 im Keller des Deutschen Theaters zu seinen Erfahrungen befragen. Nierth war Bürgermeister der Gemeinde Tröglitz in Sachsen-Anhalt. Er hatte sich in seiner Gemeinde für die Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt, wogegen sich Widerstand, auch gesteuert von NPD-Aktivisten und fremdenfeindlichen Bürgern, regte. Als eine rechts-extreme Demonstration vor seinem Haus vorbeiziehen sollte, sah er sich und seine Familie derart bedroht, dass er sein Amt niederlegte. Nierth und seine Frau schilderten lebhaft die damaligen Geschehnisse. Immer noch wohnhaft in der Gemeinde Tröglitz, fühlen sie sich heute als Fremde. Sie geben nicht auf, ringen um Anerkennung und kämpfen für ein normales Leben im Ort. Die Erlebnisse haben bei ihnen und ihren Kindern tiefe Spuren hinterlassen. Nierth war gerne und mit ganzem Herzen Bürgermeister seiner Gemeinde. Er hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Mitbürgern. Heute würde er ein solches Ehrenamt nicht mehr annehmen. Schuld sind die tiefgreifenden Erlebnisse, bei denen er und seine Familie auch mit dem Tode bedroht wurden. Er und seine Frau sind immer noch sehr politische Menschen, suchen aber heute eher in Gesprächen und Diskussionsveranstaltungen Antworten und Lösungen, wie Geschehnisse wie in Tröglitz verhindert werden können und wie unsere allgemeine Werte- und Sinnkrise beendet werden kann.
Im Jahr 2016 wurde fast täglich ein Angriff gegen Amts- und Mandatsträger begangen. In neun Fällen verübt von Tätern, die der linken Szene zugeordnet werden konnten. In 212 Fällen durch Täter aus der rechten Szene. In 93 Fällen konnten die Taten keiner bestimmten Person zugeordnet werden. Hinzu kamen 144 Angriffe gegen ehrenamtliche Helfer oder Organisationen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Hierbei konnte ein linker Täter und 127 rechte Täter identifiziert werden. Güntzler möchte in seiner Veranstaltung der Frage nachgehen, ob die These richtig ist, dass die Mitte der Gesellschaft zu diesen Fällen schweigt und ihre Funktion als Gegengewicht zum extremistischen Rand nicht mehr wahrnimmt und ob dies die Extremisten von rechts und links bestärkt.
Gemeinsam mit dem Publikum versuchten die Akteure, zu ergründen, warum sich Menschen Rechtsextremen anschließen, wie Verlorene wieder für die Demokratie zurückgewonnen werden können, wie die Gemeinschaft ihren Teil dazu beitragen kann, schweigende Mehrheiten zur Beteiligung zu bewegen und aktiv gegen den Werteverfall anzukämpfen. Erschöpfende Antworten konnten nicht gegeben werden. Der Abend regte jedoch zum Nachdenken an. Das Publikum wird sich in keine schweigende Mitte zurückziehen.